Die senile Depression beginnt manchmal still und heimtückisch, man könnte fast sagen hinterhältig, und kann mit einfachen Alterserscheinungen verwechselt werden. In anderen Fällen ist sie von Anfang an eindeutiger und an eindeutigen Symptomen wie chronischer Traurigkeit und Verlust von Lebenssinn und Lebenslust zu erkennen.
Die senile Depression ist ein sehr heikles Thema für die Angehörigen und das Pflegepersonal – die Menschen, die sich tagtäglich um die kranke Person kümmern und versuchen, den richtigen Weg zu finden, um mit den unvorhersehbaren Stimmungsschwankungen richtig umzugehen.
Um zu verstehen, wie man sich am besten mit den Angehörigen verhalten sollte, die an seniler Depression leiden, haben wir mit Dr. med. Franco Tanzi, Arzt und Geriater der Klinik Moncucco in Lugano, gesprochen.
Um diese Pathologie so früh wie möglich zu erkennen, müssen die Familienangehörigen unbedingt zusammenarbeiten: Vor allem sie sind in der Lage, die Alarmsignale zu erkennen, die eine frühzeitige Diagnose ermöglichen.
„Depressionen sind bei älteren Menschen oft abgeschwächter und verborgener als bei jüngeren Erwachsenen und können aus diesem Grund leicht mit altersbedingter Verlangsamung der kognitiven Fähigkeiten und schwindendem Interesse, bis hin zur Ablösung vom Umfeld, verwechselt werden. Oft geht senile Depression nur mit somatischen Störungen wie Appetitverlust, allgemeiner Lustlosigkeit und Vernachlässigung des gesellschaftlichen Umfelds, des Haushalts und von sich selbst einher. Außerdem kann sie mit einem physiologischen Rückgang der kognitiven Fähigkeiten verwechselt werden“, erläutert Dr. med. Franco Tanzi.
Beispielsweise ziehen sich ältere Menschen zurück, auch vor Enkelkindern und Familienangehörigen, und gehen nicht mehr aus dem Haus, um an kulturellen Aktivitäten oder Freizeitbeschäftigungen teilzunehmen, vernachlässigen sich selbst und die sozialen Beziehungen wie zum Beispiel das Kartenspiel mit Freunden.
Lustlosigkeit, hinter der sich senile Depression verbergen kann, darf sicher nicht unterschätzt werden. Emotionale Schwierigkeiten von älteren Menschen sollten jedoch nicht sofort als „Depression“ abgestempelt werden, da sie möglicherweise auch auf andere Ursachen zurückzuführen sind.
Dr. Tanzi: „Bevor einer Person, die noch nie an Depressionen gelitten hat, eine Depression diagnostiziert wird, müssen organische Probleme wie beispielsweise chronische Schmerzen, Schlafstörungen, Infektionskrankheiten, Stoffwechselstörungen oder ein Tumor ausgeschlossen werden. Eine effiziente Anamnese, d.h. eine gute Aufarbeitung der Krankengeschichte, des Patienten ist sehr wichtig. Dabei muss der behandelnde Arzt mit der betroffenen Person und vor allem mit den Familienangehörigen sprechen, um zu verstehen, wie die Depression entstanden ist. Nach einer klinischen Untersuchung muss festgestellt werden, ob somatische Pathologien, d.h. körperliche Krankheiten, vorliegen, die sich bei älteren Menschen in Form von Isolation, Abulie, Apathie usw. zeigen können. Chronische Krankheiten entstehen oft langsam, und Depressionen können eine Folge davon sein.“
Der Arzt hat die Aufgabe, alle dies zu unterscheiden, um die passende Behandlung für den Patienten zu finden. Die Familienangehörigen dagegen müssen sich des Problems bewusst werden, um nach Vorgaben des Arztes mit der Krankheit umgehen zu können.
„Bei einer Depression handelt es sich nicht um etwas, das der Patient entscheidet. Unbedingt zu vermeiden ist es, dem oder der Betroffenen „auf die Schulter zu klopfen“, als wenn der Wille genüge, um wieder auf die Beine zu kommen. Die primäre oder sekundäre Depression (die der Ausdruck einer anderen Erkrankung ist), ist eine Pathologie, die erkannt und behandelt werden muss. Darüber hinaus sind auch alle geäußerten Selbstmordabsichten ernst zu nehmen, auch wenn sie nicht in die Tat umgesetzt werden. Solche Absichten müssen dem behandelnden Arzt so schnell wie möglich mitgeteilt werden.“
Die Symptome sind häufig ähnlich, die Behandlung und die Heilungsmöglichkeiten jedoch sehr unterschiedlich, wie Dr. Franco Tanzi erläutert.
„Oft beginnen die beiden Krankheiten mit den gleichen Symptomen: Isolation von anderen und Desinteresse gegenüber allem. Die beginnende senile Demenz oder der Rückgang der kognitiven Fähigkeiten zeigen sich im Allgemeinen, wenn die betroffene Person nicht mehr die Kontrolle über ihr Umfeld hat, wenn sie nicht mehr in der Lage ist, die zur Verfügung stehenden Geräte zu verwenden, wenn sie sich nicht mehr an die Einzelheiten eines Vorgangs (wie beispielsweise das Wählen einer Telefonnummer oder die Betätigung eines Haushaltsgeräts) erinnert und sich aus diesem Grund zurückzieht.
Aus diesem Grund kann die Demenz mit einer Form der Depression einhergehen und es ist die Aufgabe des Arztes, zwischen beiden zu unterscheiden. Die Behandlung von Demenz ist sehr schwierig: Von einer Depression erholen sich die Patienten normalerweise (auch von einer Depression, die einen Rückgang der geistigen Fähigkeiten begleitet), während Demenz oft lediglich verlangsamt werden kann.“
Vor Demenz kann man sich mit einem entsprechenden Lebensstil schützen, wie Dr. Tanzi erklärt:
Alles, was dem Herz-Kreislauf-System gut tut, tut auch dem Gehirn gut.
Wichtig ist es daher, ein aktives Leben mit Hobbies und Interessen, einem Freundes- und Bekanntenkreis, körperlicher Aktivität und nicht zuletzt einer guten und ausreichenden Ernährung zu führen und Zigaretten zu vermeiden und möglichst wenig Alkohol zu trinken.
Einer Depression wird auch vorgebeugt, indem mögliche Auslöser erkannt und geplant werden. Ein Beispiel hierfür ist ein Umzug (ein sehr heikler Aspekt bei älteren Menschen) oder die Einweisung in ein Seniorenheim.
In letzterem Fall kann eine gut organisierte häusliche Altenpflege vielleicht die Einweisung in ein Altenheim nicht komplett verhindern, jedoch zumindest aufschieben.
„Ein stabiler Alltag ist das Beste für ältere Menschen“, hebt Dr. Tanzi hervor. „Die betroffene Person braucht einen regelmäßigen Lebensrhythmus mit systematischen Besuchen der Angehörigen und der sie pflegenden Personen, denen sie vertraut. Außerdem sollten die Betroffenen stimuliert werden, kulturelle Hobbies zu pflegen und möglichst „geselligen“ Freizeitaktivitäten nachzugehen.
Wenn möglich, ist auch das Zusammensein mit den Familienangehörigen wichtig sowie generell alles, was dazu beiträgt, dem täglichen Leben einen Sinn zu verleihen.“
„Um von seniler Depression zu heilen, ist ein vom Arzt ausgearbeiteter Pflegeplan notwendig, der sowohl die Heimpflege als auch die pharmakologische Behandlung umfasst“, schließt Dr. Franco Tanzi ab.
Die betroffene Person braucht ein wohlwollendes, aber auch motivierendes Umfeld und bei Bedarf auch psychologische Behandlung und muss regelmäßig die vom Arzt verschriebenen Arzneimittel einnehmen.