Was bedeutet es, einen psychiatrischen Patienten zu Hause betreuen zu können? Was sind die Vor- und Nachteile dieser Art der Gesundheitsversorgung?
Wenn wir von einer Person sprechen, die an einer psychischen Störung leidet, meinen wir eine Person, die eine Reihe von psycho-physischen Symptomen aufweist, die über einen längeren Zeitraum anhalten und sie in irgendeiner Weise daran hindern, im täglichen Leben normal zu funktionieren.
Zu den häufigsten Störungen gehören heute Depressionen und Angstzustände, die als «das Übel der modernen Gesellschaft» gelten.
Es gibt auch Störungen, die unbehandelt zu schweren Beeinträchtigungen führen, wie z. B. Psychosen, zu denen die Schizophrenie, die bipolare Störung und die paranoide Störung gehören. Hinzu kommen Symptome wie Halluzinationen, die normalerweise mit einer Psychose in Verbindung gebracht werden, die nach Alkohol- oder Drogenmissbrauch, aber auch bei einer schweren Depression auftreten können.
Das soeben Beschriebene ist nur ein Teil der Komplexität der Pathologien und der Angst, die sie auslösen können. Wir müssen daher die in unseren Breitengraden immer noch sehr ausgeprägte Stigmatisierung berücksichtigen, die uns davon abhält, Hilfe zu suchen, und die der Grund dafür ist, dass viele Situationen leider nicht aufgegriffen werden.
Arianna ist Pflegefachfrau mit einem Master-Abschluss in psychischer Gesundheit. Ihre wichtigste Berufserfahrung sammelte sie in der Kantonalen Psychiatrischen Klinik in Mendrisio, wo sie sechs Jahre lang in der Praxis anwenden und sehen konnte, was sie in der Theorie gelernt hatte.
«Das war eine sehr wichtige Erfahrung für mich. Die Arbeit in einer psychiatrischen Akutklinik ermöglicht ein großes persönliches und berufliches Wachstum, und die multidisziplinäre Arbeit ist die Grundlage dafür, dass wir den Patienten helfen können, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Was ich als negativ empfand, war die überproportionale Zunahme des Unbehagens der Jugendlichen, was das Übel der heutigen Gesellschaft widerspiegelt». Sagt Arianna mit Bedauern.
Die Vorteile der Heimpflege für psychiatrische Patienten
Erst seit einigen Monaten bei BeeCare, fühlt sich Arianna bereits sehr wohl im Pflegeteam der Spitex-Abteilung: „Wir haben die Möglichkeit, jeden Patienten individuell
zu betreuen und ihm Zeit und Qualität in der Betreuung zu widmen. Das Vorgehen in der Home Care bringt viele Vorteile für die Patientinnen und Patienten mit sich, nicht zuletzt für die psychiatrisch Erkrankten“.
Einer der positiven Aspekte ist sicherlich Zeit und Beobachtung. Die Betreuung des Patienten in seinem Wohnumfeld ermöglicht es, seine Gewohnheiten, seinen Tagesablauf zu sehen, zu verstehen, was für ihn selbstverständlich ist und was ihn einschüchtert. All dies hilft bei der Entwicklung des Pflegeplans, damit wir eine gezielte und möglichst funktionelle Pflege anbieten können, um die Beschwerden des Patienten zu lindern.
«Um ein Beispiel zu nennen: Ich habe die Wohnungen von Menschen mit Schizophrenie besucht, in denen meist Chaos, Unordnung und mangelnde Hygiene herrschen. Sie unterscheiden sich sehr von den Wohnungen von Zwangskranken, die aus Angst vor Krankheiten und Infektionen ihre Wohnungen in perfektem Zustand, aufgeräumt und sauber halten. All diese Unterscheidungen und Variationen sind für uns Krankenschwestern und -pfleger von großer Bedeutung, um zu verstehen, wie stark das Leiden der Person «zunimmt» oder «abnimmt», damit wir rechtzeitig eingreifen können.» erzählt Krankenschwester Arianna.
Ein weiterer positiver Aspekt der Heimpflege ist die Möglichkeit der Vorbeugung der Krise durch die Erkennung der Prodromalsymptome, d.h. all jener Erscheinungen, die einem Zustand des schweren psychophysischen Unwohlseins vorausgehen. Durch einen Besuch beim Patienten zu Hause können diese Symptome im Voraus erkannt werden, wodurch die akute Phase der Krankheit verhindert und in manchen Fällen sogar eine Klinikeinweisung vermieden werden kann.
Es gibt Fälle, in denen die Heimpflege der einzige Ausweg sein kann. Beim so genannten sozialen Rückzug schließen sich die Betroffenen über lange Zeiträume hinweg in ihrer Wohnung ein, ohne jemals hinauszugehen, und sind nicht mehr in der Lage, nach den Normen der Gesellschaft zu leben. Oft zeigt sich dieses Phänomen in der Pubertätsphase durch das Hikikomori-Syndrom, bei dem man alle Arten von Außenaktivitäten und in extremen Fällen sogar den Kontakt zu den eigenen Familienmitgliedern unterbricht, indem man sich in seinem eigenen Zimmer einschließt. Durch den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses und durch gezielte Interventionen zu Hause ist es möglich, dem Patienten zu helfen, allmählich seine Alltagsfähigkeiten wiederzuerlangen, wie z. B. einkaufen, mit einem Freund essen gehen oder einen kurzen Spaziergang machen.
Durch den Häuslichen Pflegedienst erfüllen die Fachleute eine grundlegende Aufgabe, nämlich als Bindeglied zwischen dem Patienten und der Gesellschaft zu fungieren. Ziel ist es, der sozialen Stigmatisierung psychischer Erkrankungen entgegenzuwirken, indem der Patient schrittweise wieder in das Leben seiner Umgebung integriert wird.
Beteiligung der Familienmitglieder am Genesungsprozess
Der Einzug in das häusliche Umfeld ermöglicht es den Fachkräften, die Familiendynamik im Umfeld des Patienten zu beobachten und zu vermitteln. Mögliche Beziehungsschwierigkeiten, die den Betroffenen unter Druck setzen und seinen Rehabilitationsweg behindern könnten, werden so berücksichtigt. Aber nicht nur das, es ermöglicht auch, dem pflegenden Angehörigen selbst Unterstützung und Nähe zu bieten. Durch die Heimpflege ist es möglich, das Familienmitglied zur Auseinandersetzung mit der Krankheit zu erziehen.
«Wir als Pfleger können Vermittler zwischen dem Patienten und seiner Familie sein und haben auch ein offenes Ohr für den fürsorglichen Angehörigen, der nie allein gelassen werden sollte. Sehr oft isoliert sich dieser, weil er, erschöpft vom Krankheitszustand seines Familienmitgliedes, die Pathologie nicht versteht oder gar nicht akzeptiert.» kommentiert Arianna.
Der Behandlungsprozess des psychiatrischen Patienten kann erleichtert werden, wenn auch seine Familie einbezogen wird. Allerdings ist es für die Angehörigen oft schwierig, die psychiatrische Diagnose zu akzeptieren, vor allem wenn es um die Einweisung in eine psychiatrische Klinik geht. Deshalb kann die Betreuung in der eigenen Wohnung sowohl für den Betroffenen als auch für seine Angehörigen eine proaktive Lösung sein.
«In einigen Fällen werden Patienten, die in eine Klinik eingewiesen werden, von ihren Angehörigen völlig allein gelassen, weil sie Angst haben, sich dem klinischen Umfeld oder der Diagnose selbst zu stellen. Ich habe Fälle von Jungen mit Schizophrenie erlebt, bei denen die Mütter, die die Diagnose ihres Sohnes nicht akzeptierten, eine echte Trauerphase durchmachten. Deshalb ist es so wichtig, die Familienmitglieder über die Pathologie aufzuklären», betont Arianna und erinnert an ihre Erfahrungen der letzten Jahre in der Klinik.
Wenn ein Klinikaufenthalt unvermeidlich wird
Trotz der vielen Vorteile der Heimpflege gibt es Situationen, die einen solchen Schweregrad erreichen, dass ein Klinikaufenthalt für das Wohl und die Gesundheit des Patienten notwendig oder sogar unvermeidlich ist. So kann es beispielsweise Situationen mit mangelhafter Hygiene oder sich selbst überlassenen Haustieren geben, in denen die private Wohnung unbewohnbar wird.
Weitere Risikosituationen entstehen, wenn der Betroffene Selbstmordgedanken entwickelt. Diese Gedanken können sich zunächst auf unterschiedliche Weise äußern, z. B. durch negative, selbsterniedrigende und überflüssige Gedanken. Außerdem können Selbstverletzungen auftreten, die zwar nicht suizidal sind, aber das Suizidrisiko erhöhen, wenn sie über einen längeren Zeitraum wiederholt werden.
Diese Verhaltensweisen entstehen oft aus dem Versuch, eine psychische Anspannung abzubauen, sind aber auch ein Hilferuf und sollten niemals unterschätzt oder ignoriert werden. Oft leiden die Betroffenen unter depressiven Phasen, schweren Angstzuständen oder anderen psychischen Störungen wie Persönlichkeitsstörungen, Alkoholabhängigkeit oder Psychosen.
«In diesen Fällen ist die Entscheidung für einen Klinikaufenthalt fast unvermeidlich, auch gegen den Willen des Patienten, um seine Sicherheit oder die von Dritten zu gewährleisten.» sagt Arianna.
Das bedeutet natürlich nicht, dass ein Klinikaufenthalt als letzter Ausweg in Betracht gezogen werden sollte; in mancher Hinsicht kann sogar die Umgebung einer spezialisierten Einrichtung der Genesung des Betroffenen förderlich sein. So kann der Kontakt zu anderen Patienten für den Verlauf der Behandlung hilfreich sein. Es ist möglich, Zeit miteinander zu verbringen, Erfahrungen auszutauschen, Gemeinschaftsräume zu besuchen, in denen Freizeitaktivitäten wie Zeichnen, Malen, Basteln und Gartenarbeit angeboten werden.
«Paradoxerweise kann die Umgebung in einer Klinik den Anschein von einer Gesellschaft erwecken und ein alltägliches Leben mit vielen Facetten ermöglichen, im Gegensatz zu einem Zustand in der eigenen Wohnung, wo es leichter ist, sich vom Rest der Welt auszuschließen.»
Abschließend betont Arianna, wie wichtig es ist, die Person in den Mittelpunkt zu stellen und dabei immer das Wohl des Patienten im Auge zu behalten, sei es in einer Klinik, einem Pflegeheim oder zu Hause.